Das Institut

Donnerstag, 3. März 2011

Imo Moszkowicz sel. A. (1925–2011)

Ein Nachruf von Matthias Naumann, Berlin

Imo Moszkowicz wurde am 27. Juli 1925 in Ahlen geboren. Seinem Vater gelang es noch 1938, nach Argentinien auszuwandern, doch konnte der Rest der Familie nicht mehr nachkommen. Frau und Kinder mussten nach Essen übersiedeln, damit Ahlen »judenrein« sei, und dort Zwangsarbeit leisten. Die Mutter und vier der Geschwister wurden 1941 nach Auschwitz deportiert und ermordet, ebenso der Bruder David nach einer Denunziation. Imo Moszkowicz und sein Bruder Hermann wurden 1942 als Letzte der Familie nach Auschwitz deportiert, wo Imo Moszkowicz ins KZ Buna/Monowitz kam und Zwangsarbeit für die I.G. Farben verrichten musste. Gerade dort machte er bei einem »bunten Abend« zur Unterhaltung der Lager-SS und der Häftlingsprominenz seine ersten Schauspielerfahrungen. In einem Interview beschrieb er im Januar 2008, was das Theaterspiel im KZ Buna/Monowitz für ihn bedeutete: »Auf diese Weise war ich meinen Drillich, meine Häftlingskleidung für ein paar Stunden los: Ich konnte in eine andere Figur schlüpfen. Das, was später, also nach dem Krieg, mit mir geschah, war ähnlich: Ich schlüpfte in andere Charaktere, ich schlüpfte in andere Schicksalsstränge und konnte damit meinen eigenen zudecken und somit in den Hintergrund drängen; damit konnte ich viele Jahre leidlich gut leben.«

Nachdem er die Todesmärsche Anfang 1945 überstanden hatte, wurde Imo Moszkowicz im Mai 1945 in Liberec/Reichenberg von der Roten Armee befreit. Er ging zurück nach Westfalen und begann als Schauspieler in Warendorf und Gütersloh. Es folgte eine Schauspielausbildung in Düsseldorf, während der er sich bereits der Regie zuwandte. Moszkowicz lernte als Regieassistent bei Gustav Gründgens in Düsseldorf und bei Fritz Kortner am Schillertheater, Berlin. Zeitlebens blieb sein Theaterverständnis vom Begriff der Werktreue und der Achtung gegenüber den Texten der Dichter, die er inszenierte, geprägt.
In den 1950er Jahren arbeitete Moszkowicz mehrmals als Regisseur und Schauspieler an Bühnen in Südamerika, wo er auch seine Frau, Renate Dadieu, kennenlernte. 1961 inszenierte er Zeit der Schuldlosen von Siegfried Lenz am Habima Nationaltheater in Tel Aviv, das erste Stück eines zeitgenössischen deutschsprachigen Autors in Israel. In den folgenden Jahrzehnten verwirklichte Moszkowicz über hundert Theater- und Operninszenierungen an großen deutschsprachigen Häusern.

Zeitgleich entwickelte sich das Fernsehen mit über 200 Regiearbeiten für Spielfilme und Serien zu seinem zweiten Schwerpunkt. Hier erwies sich Imo Moszkowicz als ein Pionier des Fernsehspiels, der die neuen technischen Möglichkeiten erprobte. Zu seinen Arbeiten zählen Komödien und Krimis, aber auch Kinderserien wie Kli-Kla-Klawitter (1973–76) und Pumuckls Abenteuer (1999). Daneben schuf er mehrere Kinofilme, wie Max, der Taschendieb mit Heinz Rühmann und Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen über Theodor Herzl. Eine seiner letzten Arbeiten, das Drehbuch zu Unter Bauern – Retter in der Nacht (2009), ließ ihn in die Zeit des Nationalsozialismus in Westfalen zurückkehren.

In seiner Autobiografie Der grauende Morgen, zuerst erschienen 1996, verflicht Moszkowicz in eindringlicher Weise den Bericht seiner Zeit im KZ Buna/Monowitz mit seiner Nachkriegsbiografie am Theater und Fernsehen, darauf reflektierend, wie ihn die Erinnerung im Nachkriegsdeutschland immer wieder heimsuchte, wie er vergessen wollte und es nicht konnte. Imo Moszkowicz sprach in öffentlichen Auftritten, in Vorträgen und Diskussionen über den Holocaust, als er als Regisseur bereits namhaft und bekannt war. Eindrücklich im Gedächtnis blieb seine Rede auf dem Treffen der Überlebenden des KZ Buna/Monowitz in Frankfurt am Main 2004. Zur Eröffnung des Norbert Wollheim Memorials auf dem Gelände des ehemaligen IG Farben-Hauses (heute Sitz der geistes- und kulturwissenschaftlichen Fachbereiche der Goethe-Universität Frankfurt am Main) im November 2008 konnte er schon nicht mehr nach Frankfurt kommen.

Am 11. Januar 2011 verstarb Imo Moszkowicz nach langer Krankheit in Ottobrunn bei München. Er war langjähriges Mitglied im Rat der Überlebenden des Holocaust am Fritz Bauer Institut. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Freunde und Freundinnen des Fritz Bauer Instituts werden ihn in ehrender Erinnerung behalten.


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