»Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen« und »die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes« sind für die Redakteure des Axel Springer Verlags per Arbeitsvertrag verbindliche Ziele. Zwanzig Jahre nach dem Holocaust verschrieb sich Axel Springer (1912–1985) dieser proisraelischen Haltung, die ein persönliches Anliegen für ihn wurde. Wie kam er dazu und wie war seine Haltung zu Israel und den Juden?
Die internationale Konferenz des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt war ein wichtiger Bestandteil der Vorbereitung einer Ausstellung zum gleichen Thema, die am 13. März 2012 im Jüdischen Museum Frankfurt eröffnet wird. Wissenschaftler, Politiker, Journalisten und Medienexperten beleuchteten dabei die Position Axel Springers und seines Konzerns in der deutschen Nachkriegsgesellschaft.
Die Tagung wurde am 27. März im Museum Judengasse mit einem Grußwort von Raphael Gross (Direktor des Jüdischen Museums Frankfurt und des Fritz Bauer Instituts) eröffnet. Gross wies darauf hin, wie konfliktreich die Beschäftigung mit dem Thema »Axel Springer« bis heute sei und betonte, dass man die Konflikte nicht wiederholen wolle, sondern sich in dem geplanten Ausstellungsprojekt vielmehr mit den Kontroversen auseinandersetzen und neue Perspektiven aufzeigen wolle.
Dmitrij Belkin (Fritz Bauer Institut) stellte in seiner Präsentation »BILD dir dein Volk! Axel Springer und der Postholocaust-Boulevard« die zentralen Fragen vor, denen das Ausstellungsprojekt nachgehen wird. Dabei interessiert Belkin besonders die »positive mediale deutsch-israelische Symbiose«, die von Springer durch die Herstellung einer Parallele zwischen den geteilten Städten Berlin und Jerusalem generiert wurde.
Der Abendvortrag von Avi Primor (Israelischer Botschafter in Deutschland a.D., Direktor des Zentrums für Europäische Studien, Herzliya) rundete den ersten Konferenztag ab. Aus seiner politischen und persönlichen Perspektive schilderte Primor einige Aspekte der deutsch-israelischen Beziehungen, vor denen sich die Aktivitäten Springers abspielten. Seiner Ansicht nach brauchte Israel demnach »einen Freund wie Axel Springer«, da nicht politische Entscheidungen, sondern zwischenmenschliche Beziehungen zu einer Akzeptanz der deutschen Wiedergutmachungsbemühungen innerhalb der israelischen Gesellschaft führten.
Der zweite Konferenztag an der Goethe-Universität, Campus Westend, wurde mit der Sektion »Kollegen« eröffnet, in welcher die Frage danach, wie ein Nebeneinander von Juden und NS-Belasteten in der Führungsetage des Springer Verlags möglich war, im Mittelpunkt stand. In dem von Erik Lindner (Axel Springer Stiftung, Berlin) moderierten Panel gab zunächst Christian Plöger (Jagdfeld Gruppe, Berlin) Einblick in die Biografie von Paul Karl Schmidt alias Paul Carell (1911–1997). Als früherer Pressesprecher des NS-Außenministers Carl Ribbentrop und ehemaliges ranghohes Mitglied der SS war Carell bis zum Tod Springers dessen enger Vertrauter, Redenschreiber und Sicherheitschef. Gleichzeitig war Ernst Cramer (1913–2010), der im Mittelpunkt des Vortrags von Gudrun Kruip (Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus, Stuttgart) stand, von 1958 an bis zu seinem Tod im Jahre 2010 ebenfalls einer der engsten Berater und Freunde Axel Springers. Obwohl er als Jude einen Teil seiner Familie im Holocaust verloren hatte, wurde die Vergangenheit mancher Kollegen, so Kruip, von ihm in der Regel heruntergespielt und trat hinter die Diskussionen über aktuelle Themen zurück.
Wolfgang Kraushaar (Hamburger Institut für Sozialforschung) ging in seinem Vortrag »Axel Springer als Zielscheibe der RAF«, welcher das von Raphael Gross moderierte Panel »RAF, Axel Springer, Israel« eröffnete, zunächst auf die Rolle Springers als »negative Idealfigur« für die Studentenbewegung ein. Diese griff den Verleger besonders für seine »Heile-Welt-Ideologie« und die Monopolisierung der Medienmacht an. Die Anhänger der RAF forderten jedoch, Springer auch ökonomisch anzugreifen – eine Position, die in der Parole »Enteignet Springer!« gipfelte.
Werner Konitzer (Fritz Bauer Institut) beleuchtete in seinem anschließenden Vortrag »Meinhof, Springer, Israel« speziell die publizistischen Agitationen Ulrike Meinhofs gegen die proisraelische Haltung der Springer-Presse und legte dabei besonderes Augenmerk auf ihren im Juli 1967 als Reaktion auf den Sechstagekrieg in der Zeitschrift konkret veröffentlichten Kommentar, wonach die Springer-Presse neben der europäischen Linken und den US-amerikanischen Ölinteressenten zu den »Drei Freunde[n] Israels« gehöre und die BILD-Zeitung am Berg Sinai nach 25 Jahren »doch noch die Schlacht von Stalingrad gewonnen« habe.
In der dritten Sektion präsentierten Jochen Staadt (Forschungsverbund SED-Staat, Berlin) und Stefan Wolle (DDR-Museum, Berlin) unter dem Titel »Stasi, Springer und der ›Antizionismus‹ der DDR« Ausschnitte aus dem fünfteiligen DDR-Propagandafilm Ich, Axel Caesar Springer von 1970, die sich um ein inszeniertes geheimes Treffen Springers mit israelischen Politikern in Israel drehen. Als Unterstützer der arabischen Staaten, so Staadt und Wolle, habe die SED im Zionismus eine Form von Faschismus gesehen und demnach gleichsam Axel Springer als Faschisten »enttarnt«.
In dem von Georg M. Hafner (Hessischer Rundfunk) eingeführten Panel »Springer-Presse, Israel, Medienpolitik« schilderte zunächst Ulrich W. Sahm (Journalist und Publizist, Jerusalem) in seinem Vortrag »Axel Springer Verlag und die deutsche Medienkontroverse um das ›Gelobte Land‹« aus der Perspektive seiner »35-jährigen journalistischen Odyssee« die deutsche Medienberichterstattung über den israelisch-palästinensischen Konflikt. Im Anschluss daran gingen die Medienexperten Michael Behrent (SCRIPT Corporate + Public Communication, Frankfurt am Main) und Klaus Kocks (PR-Berater und Publizist) unter dem Titel »Fabelhafte Leitkultur: Zur vorsätzlich israelfreundlichen Berichterstattungspolitik des Springer Verlages« intensiv auf die 1967 formulierten »fünf gesellschaftspolitischen Grundsätze« des Springer Verlages ein, wonach das »Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen« und »die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes« angestrebt werden sollen.
Einen Höhepunkt der Konferenz, wie sich auch an der Zahl der Zuschauer manifestierte, bildete zweifelsohne der von Esther Schapira (Hessischer Rundfunk) moderierte Round Table, an welchem Daniel Cohn-Bendit (Co-Vorsitzender der Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz im Europäischen Parlament, Brüssel), Gudrun Kruip (Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus, Stuttgart) Christina von Hodenberg (Queen Mary University of London) und Thomas Schmied (Herausgeber der WELT-Gruppe, Axel Springer AG, Berlin) teilnahmen. Einerseits wurde hier aus der Sicht von Zeitzeugen und persönlich Involvierten, andererseits aus der Perspektive der Geschichtswissenschaft die Frage »Axel Springer und die Juden. Eine bundesrepublikanische Geschichte?« diskutiert.
In seinem abschließenden Kommentar formulierte Norbert Frei (Friedrich-Schiller-Universität Jena/New School, New York) durch die Zusammenfassung zentraler, in den Vorträgen postulierter Thesen mögliche ausstellungsrelevante Fragestellungen. Dabei ging er besonders ein auf die Bedeutung der Springer-Presse der 1950er und frühen 1960er Jahre und die zentrale Rolle der BILD-Zeitung in der Konstituierung der Medienlandschaft und der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik.
Insgesamt bot die Tagung einen umfangreichen Überblick über viele bisher unbekannte Facetten des Springer Verlags und dessen Gründer Axel Springer – ein Thema, das viele interessiert und bis heute polarisiert, wovon ein zahlreiches und aktiv diskutierendes Publikum beredtes Zeugnis ablegte (über 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wohnten den Vorträgen an beiden Konferenzorten bei). Die Konferenz stieß darüber hinaus auf ein signifikantes Interesse bei lokalen und deutschlandweiten Presseorganen und Radiosendern. Zahlreiche Ideen und Impulse der internationalen Konferenz werden sowohl im Katalog zur Ausstellung als auch bei der weiteren Ausstellungsplanung eine wichtige Rolle spielen.
Bericht von Anne Gemeinhardt, Fritz Bauer Institut
Kontakt
Dmitrij Belkin
Fritz Bauer Institut
Telefon: +49 (0)69.798 322-60
Telefax: +49 (0)69.798 322-41
d.belkin(at)fritz-bauer-institut.de