Förderung: Alfred Landecker Stiftung
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) war nach 1945 der größte Zusammenschluss ehemaliger NS-Verfolgter in Deutschland; unterschiedliche Verfolgtengruppen vertraten im Rahmen der Organisation ihre Ziele und Forderungen. Mit den schärfer werdenden blockpolitischen Spannungen verlor die VVN rasch an Rückhalt in Politik und Gesellschaft, viele Mitglieder traten aus, die Kommunisten wurden eine dominierende Kraft. Es folgten Berufsverbote und Verbotsverfahren, der Staatsschutz ging mit aller Härte gegen die Vereinigung vor. In der DDR wurde die VVN, die auch hier unterschiedliche Verfolgtengruppen repräsentierte, ein Opfer der spätstalinistischen und antisemitischen Parteisäuberungen – und 1953 aufgelöst. Trotz der völlig unterschiedlichen politischen Konstellationen machten die organisierten NS-Verfolgten in Ost- wie in Westdeutschland die Erfahrung, als Störfaktoren der postnazistischen Gesellschaften behandelt zu werden.
In Westdeutschland war die VVN ab 1950 gleichermaßen Opfer und Akteur des deutsch-deutschen Systemkonflikts. Aber sie blieb auch ein vernehmbarer Antagonist der bundesrepublikanischen Vergangenheitspolitik. Das von ihr popularisierte Bild des antifaschistischen Widerstands und der NS-Verfolgten überdeckte die Erfahrungen des Holocaust, gleichzeitig gehörte die VVN zu den wenigen Kräften, die den gesellschaftlichen Antisemitismus thematisierten.
Ziel des Forschungsprojekts ist eine empirisch fundierte zeithistorische Darstellung der Geschichte der VVN, ihrer (erinnerungs-) politischen Wirkungen und des vom Kalten Krieg geprägten politischen Raumes, in dem sie agierte. Im Zentrum stehen die ersten Nachkriegsjahrzehnte bis Ende der 1960er Jahre. Es wird untersucht, wie die Konflikte des Kalten Krieges und die Auseinandersetzungen um die NS-Vergangenheit wechselweise aufeinander einwirkten und was das für die ehemals Verfolgten und die Erinnerung an die NS-Verbrechen in Deutschland bedeutete. Ein erinnerungs- und erfahrungsgeschichtlicher Zugriff wird dabei mit einer Analyse politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen verknüpft.