Forschung und Lehre

Die Banken und die Juden. Zur Rolle der Frankfurter Sparkasse von 1822, der Städtischen Sparkasse Frankfurt und der Polytechnischen Gesellschaft im Nationalsozialismus

Bearbeiter: PD Dr. phil. Friederike Sattler / János Varga M.A.

Förderung: Frankfurter Sparkasse und Polytechnische Gesellschaft

Im Rahmen des Projektes wird zum einen die Beteiligung von Sparkassen und Banken an der wirtschaftlichen Verfolgung und Verdrängung der Juden in der Stadt Frankfurt am Main, zum anderen die Geschichte der Polytechnischen Gesellschaft im Nationalsozialismus untersucht.

Im Hinblick auf die Sparkassen und Banken, dem von Friederike Sattler bearbeiteten ersten Teilprojekt, stehen drei Aspekte im Mittelpunkt: erstens der Umgang der Kreditinstitute mit jüdischen Beschäftigten, zweitens ihre Beteiligung an der »Arisierung« von gewerblichen Vermögen und Immobilien jüdischer Kunden sowie drittens die Rolle der Kreditinstitute als verlängerter Arm der staatlichen Finanzverwaltung beim Einzug jüdischer Vermögen zugunsten des Deutschen Reichs. Ausgehend von den beiden in Frankfurt ansässigen Sparkassen, der Frankfurter Sparkasse von 1822, die von der Polytechnischen Gesellschaft als »freie Sparkasse« ins Leben gerufen wurde, und der Städtischen Sparkasse Frankfurt, die 1895 durch die Eingemeindung der Stadt Bockenheim als kommunale Sparkasse hinzukam, werden Vergleiche zu den Filialen der Großbanken sowie weiteren für Frankfurt bedeutenden Kreditinstituten gezogen, darunter nicht zuletzt jüdisch geführte Privatbanken. Auch die Frage, welchen Beitrag Sparkassen und Banken im Rahmen der Bemühungen um Restitution, Entschädigung und Wiedergutmachung in der Nachkriegszeit geleistet haben, wird einer kritischen Analyse unterzogen. Ziel der Untersuchung ist es, eingebettet in die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der Stadt Frankfurt am Main, ein Bild vom Geschehen am Finanzplatz insgesamt zu gewinnen, um nachvollziehen zu können, wie er sich durch die Verdrängung und Verfolgung der Juden veränderte.

Das von János Varga bearbeitete zweite Teilprojekt befasst sich mit der Geschichte der Polytechnischen Gesellschaft, einem 1816 gegründeten Verein zur Förderung von Bildung und Wissenschaft in Frankfurt am Main. Die Frankfurter Sparkasse von 1822 war ein Tochterinstitut der Gesellschaft. Mittels organisationsgeschichtlicher und kollektivbiografischer Ansätze wird systematisch analysiert, wie sich die »Polytechnische« und ihre Mitglieder von den 1920er bis in die 1960er Jahre zum Nationalsozialismus verhielten. Einerseits wird das Schicksal jüdischer und aus anderen Gründen verfolgter Mitglieder in den Blick genommen. Andererseits wird untersucht, inwiefern sich die weiteren Mitglieder der Gesellschaft mit dem NS-Regime arrangierten oder den Nationalsozialismus – vor und nach 1933 – aktiv unterstützten. Auf diesem Wege wird das verbreitete Bild überprüft, dass die »Polytechnische« liberalen und demokratischen Werten verpflichtet war und von den neuen Machthabern schließlich unter Zwang gleichgeschaltet wurde. Zudem wird gefragt, inwiefern sich Erkenntnisse auf vergleichbare Organisationen übertragen lassen und welche Bedeutung regional agierenden Wohltätigkeitsvereinen insgesamt im Nationalsozialismus zukam.