Im Mittelpunkt des Projekts stehen zum einen die materiellen Aspekte der Verfolgung und Ermordung der Juden im Generalgouvernement im Beziehungsgeflecht der Besatzungsgesellschaft. Mithin geht es um einen Beitrag zur Sozialgeschichte des Holocaust, der Fragen nach den Graden von Mittäterschaften, Komplizenschaft und Nutznießertum aufwirft: War in Polen eine breite Beteiligung am Raub jüdischen Vermögens überhaupt möglich? Begünstigte diese eine Mittäterschaft am Massenmord? In welchem Ausmaß profitierten Deutsche und nichtjüdische Polen materiell vom Holocaust? Im Rahmen dieses Forschungsprojekts werden die vielschichtigen Konstellationen von Profiteuren der Verfolgung und Ermordung der Juden ausgeleuchtet und analysiert, um so zu einem tieferen Verständnis der deutsch-polnisch-jüdischen Beziehungsgeschichte im 20. Jahrhundert zu gelangen.
In einem zweiten Teil der zu erarbeitenden Studie wird es um die Nachgeschichte des Raubs des Besitzes von Juden gehen. Überall im vormals deutsch besetzten Europa stießen Fragen nach Rückerstattung und Entschädigung auf enorme Schwierigkeiten. Neben dem Problem, dass für viele Immobilien und Vermögenswerte der ermordeten Juden keine anspruchsberechtigten Erben mehr da waren, weil auch sie getötet worden waren, traten in Polen, aber nicht nur dort, zahlreiche weitere Probleme auf. Mit der Stalinisierung Polens in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre ging das Problem einer Rückerstattung ehemals jüdischen Besitzes in der generellen Frage nach dem Verhältnis von Privateigentum und Staatseigentum auf. Dies führte nicht zuletzt dazu, dass Restitutionsfragen mit dem Ende der kommunistischen Herrschaft in Polen eine bis heute virulente Aktualität und zusätzliche Zuspitzung erfahren haben.