Förderung: Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes
Gegenstand des Dissertationsprojekts sind das Leben und Werk des Juristen Henry Ormond (1901–1973), einem zentralen Akteur beim Aufbau einer demokratischen Ordnung im Deutschland der Nachkriegszeit. Als »Anwalt der Opfer« des NS-Regimes wurde er in den 1950er und 1960er Jahren zu einem der namhaftesten Juristen der Bundesrepublik. Dabei war Ormond selbst, der bis 1933 als Richter tätig war, aufgrund seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten entrechtet und in das KZ Dachau deportiert worden. Nach seiner Flucht ins britische Exil 1939 kam er 1945 mit der British Army nach Deutschland zurück. Als Lizenzoffizier war er für den Aufbau einer demokratischen Kulturlandschaft zuständig und gehörte etwa zu den Mitbegründern des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. 1950 ließ Ormond sich in Frankfurt am Main nieder und wurde mit seiner Anwaltskanzlei über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus bekannt. Intensiv setzte er sich für die Entschädigung von NS-Verfolgten ein und unterstützte als Nebenklagevertreter in großangelegten Strafverfahren wie dem ersten Auschwitz-Prozess die Hinterbliebenen der Ermordeten. Aufgrund seiner eigenen Verfolgungserfahrung wurde er zudem zu einem wichtigen Fürsprecher des neugründeten Staats Israel als einem Zufluchtsort für Jüdinnen und Juden.
Ausgehend von Ormonds juristischem Wirken und seinen gesellschaftlichen Zeitdiagnosen geht es in dem Forschungsprojekt um den Transformationsprozess von einer postdiktatorialen zu einer demokratischen Gesellschaft. Inwiefern gestaltete Ormond den Aufbau der Bundesrepublik als einstiger Verfolgter des NS-Regimes mit und welche Rolle spielte seine öffentliche Wahrnehmung als »jüdischer Rechtsanwalt« dabei? Wie und mit wem agierte er und auf welchem Weg vermochte er es, juristische wie gesellschaftliche Debatten anzustoßen? Um diesen Fragen nachzugehen, werden unter anderem Ormonds umfangreicher Nachlass sowie sein weitgehend unbekanntes publizistisches Werk ausgewertet und analysiert.