Forschung und Lehre

»Gemeinschaftsfremd« in Deutschland nach 1945. Bevölkerungspolitische Vorstellungen der extremen Rechten und Gewalt gegen Marginalisierte

Bearbeiter: Dr. Niklas Krawinkel

Förderung: Schleicher-Stiftung

Unter den etwa 200 Männern und Frauen, die seit 1990 Opfer rechter Gewalt wurden, sind viele, die deshalb zu Tode kamen, weil die Täter sie für »asozial«, überhaupt für »minderwertig« hielten. Die nationalsozialistische Propaganda-Verheißung von der »Volksgemeinschaft« unterschied »Volksgenossen« von »Gemeinschaftsfremden«. Zu letzteren zählte im NS-Staat, wer unter die Kategorie der »Arbeitsscheuen«, »Asozialen«, Homosexuellen und Kranken fiel. Sie störten das rassistisch konturierte Gemeinschaftsideal, wurden ausgegrenzt, verfolgt und nicht selten ermordet. Ziel des Forschungsvorhabens ist es zu untersuchen, wie die nationalsozialistischen Maßnahmen von extrem rechten Akteuren nach 1945 aufgegriffen, aktualisiert, in politische Ordnungsvorstellungen über die Gesellschaft der Bundesrepublik integriert und in Teilen auch in die Tat umgesetzt wurden. Zu fragen ist, wie sich gesellschaftliches »Wissen« über marginalisierte Gruppen seit dem Ende des Nationalsozialismus diskursiv fortgeschrieben hat und welche Anknüpfungspunkte sich der extremen Rechte stets aufs Neue dabei boten. Nicht selten wurden die Maßnahmen, die der nationalsozialistische Staat gegen »Gemeinschaftsfremde« ergriffen hatte, noch nach Kriegsende zu den positiven Seiten des Regimes gezählt, was zeigt, dass ein repressives und disziplinierendes Vorgehen gegen Kleinkriminelle, Sintizze und Sinti, Romnja und Roma, sowie Unangepasste noch immer mehrheitsfähig war. Untersuchen lässt sich, wie Aspekte extrem rechter Politik mit Grundtendenzen demokratischer Gesellschaften kompatibel waren, in Form und Inhalt aber erheblich radikalisiert wurden.