Förderung: Anne Frank Fonds und die Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien
Das Tagebuch der Anne Frank ist eine singuläre Quelle für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. In diesem Forschungsprojekt wird die Geschichte Anne Franks aus der Perspektive der deutsch-jüdischen Geschichte betrachtet. Wie sah der kulturelle und politische Kontext in den 1940er Jahren aus, als die Tagebücher entstanden? Welche Vorbilder standen Anne Frank bei der Abfassung des Textes vor Augen und welche kulturellen Bezüge schuf sie? Wie sahen die politischen Bedingungen von Juden in den besetzten Niederlanden aus? Wie in Deutschland und den Nachbarstaaten? Darüber hinaus wird die Rezeptionsgeschichte der Tagebücher im Kontext der deutsch- bzw. europäisch-jüdischen Nachkriegsgeschichte betrachtet. Welchen Metamorphosen war die Geschichte Anne Franks durch die vielen Nachbearbeitungen ausgesetzt, die die Tagebücher erfuhren? Welche Kontexte wurden dadurch geschaffen, worauf richtete sich das Interesse der Rezeptionen? Wie schließlich wurde die Figur eines Teenagers im Nationalsozialismus weltweit zu einem Symbol für eine bessere Welt, das den Blick auf die reale Person im Ergebnis aber verstellt und nicht selten kitschige Züge trägt?
Die zwei »Urschriften« des Tagebuchs (Anne Franks originale Tagebucheinträge zwischen 1942 und 1944 und ihre eigenen Überarbeitungen für eine mögliche spätere Publikation) werden in einer neu eingeleiteten und mit Annotationen versehenen niederländischen Fassung zusammengeführt. Grundlage dafür ist der Abgleich der handschriftlichen Manuskripte Anne Franks mit den bisher existierenden Transkriptionen. Diese kritische niederländische Fassung ist die Basis für die Übersetzungen ins Englische und ins Deutsche. Darüber hinaus werden die Ergebnisse des Forschungsprojekts in einem eigenen Band veröffentlicht. Dieser wird das Tagebuch in den Kontext der Biographie Anne Franks und ihrer Familie stellen, die Rezeptionsgeschichte beleuchten und Reflexionen des Tagebuchs thematisieren, wie etwa genderkritische Perspektiven.