Förderung: Jürg-Breuninger-Promotionsstipendium
Zur geschlechtergeschichtlichen Dimension des Holocaust liegen bis heute vergleichsweise wenige Untersuchungen vor. Gänzlich unerforscht ist das Schicksal jüdischer Frauen in der von den Deutschen und deren Mittätern besetzten Ukraine. Im Mittelpunkt des Promotionsprojekts stehen die individuellen Erfahrungen und die Rolle von Jüdinnen in verschiedenen Zusammenhängen des Holocaust in der Region; darüber hinaus geht es um die Frage, welche Folgewirkungen das Erlebte für die Frauen bis in die Nachkriegszeit hatte. Wenngleich die Gesamtheit der Juden, ungeachtet ihres Geschlechts, in das Visier der nationalsozialistischen Verfolgung und Ermordung rückte, war das Leben, Sterben und Überleben von Frauen und Männern durch jeweils spezifische Erfahrungen, Wahrnehmungen und Reaktionen gekennzeichnet. Der Fokus des Promotionsvorhabens richtet sich sowohl auf Bedrohungen und Belastungen, welchen jüdische Frauen ausgesetzt waren, als auch auf Strukturen weiblichen Verhaltens, die es den Frauen, aber auch ihren Familien oder ganzen Kollektiven ermöglichten, gegen die menschenunwürdigen Bedingungen in den Ghettos und Lagern sowie gegen den allgegenwärtigen Tod anzukämpfen. Die Fragen werden quellennah, insbesondere auf der Basis von Oral History-Zeitzeugnissen untersucht. Im Zentrum stehen Repräsentationen bzw. Erinnerungen in audio-visuellen Interviews des Visual History Archive der USC Shoah Foundation. Das Ziel des Promotionsprojekts liegt freilich nicht in der Konstruktion einer Hierarchie des Leidens und der Opfer – vielmehr soll die Studie mithilfe des Geschlechts als Analysekategorie zu einem differenzierten Verständnis des Verfolgungs- und Mordgeschehens und seiner Opfer beitragen.