Ab 1934 konnten deutsche Gerichte Angeklagte, die aufgrund einer psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung als nicht oder vermindert schuldfähig angesehen wurden, gemäß Paragraf 42b des Strafgesetzbuches in Heil- und Pflegeanstalten einweisen. Als Anstaltsinsassen befanden sie sich ab 1940 in der Gefahr, im Zuge der nationalsozialistischen Krankenmorde getötet zu werden. Dieses Forschungsprojekt untersucht die Geschichte solcher forensischen Anstaltspatientinnen und -patienten in der Zeit des Nationalsozialismus, eine Gruppe von NS-Opfern, über die bislang nur wenige Forschungsarbeiten vorliegen. Die zentrale These lautet, dass die Betroffenen aufgrund der Verschränkung von strafrechtlichen Delikten und psychiatrischen Diagnosen als »kriminelle Geisteskranke« doppelt stigmatisiert und zu einer Gefahr für die »Volksgemeinschaft« stilisiert wurden, wodurch sich Besonderheiten im Umgang mit ihnen ergaben. Es wird gefragt, inwieweit die Position der forensischen Anstaltspatientinnen und -patienten zwischen Strafjustiz, psychiatrischer Begutachtung, Heilanstalten und dem Verwaltungsapparat der »Aktion T4« in spezifischen Verfolgungswegen im Rahmen der nationalsozialistischen Krankenmorde sowie mit Verschleppungen in Konzentrationslagern kulminierte. Diese Aspekte werden ebenso erforscht wie Fachdiskurse in Psychiatrie und Kriminologie sowie die Entschädigungspraxis und die juristische Aufarbeitung nach 1945.