Die Mehrheit der jüdischen Flüchtlinge, die als »Letzte der Überlebenden« des osteuropäischen Judentums in den DP-Lagern der alliierten Besatzungsmächte zusammenkamen, überlebten, weil sie durch die Sowjets in Zwangsarbeitslager im Inneren der Sowjetunion deportiert worden waren und so den Nazis entkamen. Später flohen viele weiter nach Zentralasien. Ironischerweise ermöglichte es die stalinistische Sowjetunion, dass zwei Drittel der überlebenden polnischen Juden durch diese unfreiwillige Flucht gerettet wurden. Unterstützung erhielten sie durch die amerikanische jüdische Hilfsorganisation Joint. Der Vortrag integriert diese weithin unbekannten Zusammenhänge in unser Verständnis der Shoah. Er untersucht, in welcher Weise diese »asiatische Erfahrung« die Definitionen und Selbstdefinitionen der Überlebenden von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis heute beeinflusst hat, und wirft zudem Fragen auf nach gegenwärtigen Problemen von Grenzüberquerungen, erzwungener Emigration und Zuwanderung.
Atina Grossmann ist Professorin für Moderne Deutsche und Europäische Geschichte sowie Geschlechtergeschichte an der Cooper Union for the Advancement of Science and Art, New York. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Gender Studies sowie in der deutsch-jüdischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Ihr 2007 im Princeton University Press erschienenes Buch Jews, Germans, and Allies: Close Encounters in Occupied Germany, 1945–1949 wurde mehrfach ausgezeichnet und ist unter dem Titel Juden, Deutsche und Alliierte. Begegnungen im besetzten Deutschland 1945–1949 im Wallstein Verlag erschienen.
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