Events and Exhibitions

Monday, 10. June 2013, 18:15 o'clock

Ehe und Homosexualität im bundesdeutschen Rechtssystem der 1950er Jahre:
Normen, Werte, Grundgesetz – und ein Film

Vortrag von Dr. Thomas Henne, Frankfurt am Main:

Goethe-Universität Frankfurt
Campus Westend
Grüneburgplatz 1
Casino-Gebäude am IG Farben-Haus, Raum 1.801

Veranstaltung im Rahmen der Vortragsreihe
»Recht und Moral im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit«


Termine
›  5. November 2012, Prof. Dr. Oliver Lepsius (Bayreuth/Chicago):
»Moral und Recht in den Anfängen des nationalsozialistischen Rechts«
›  26. November 2012, Prof. Dr. Herlinde Pauer-Studer (Wien):
»Zum Verhältnis von Moral und Recht im Nationalsozialismus«
›  3. Dezember 2012, Prof. Dr. Joachim Vogel (München):
»Einflüsse des Nationalsozialismus auf das Strafrecht und die Wahrnehmung dieser Einflüsse in der Rechtsgeschichte der Nachkriegszeit«
›  14. Januar 2013, Prof. Dr. Michael Schefczyk (Frankfurt an der Oder):
»Zum Verhältnis von Recht und Moral in Jaspers Schuldfrage«
›  21. Januar 2013, Prof. Dr. Werner Konitzer (Fritz Bauer Institut):
»Einfache Sittlichkeit. Otto Friedrich Bollnow und die Veränderung der Moral nach der Niederschlagung des NS-Regimes«
›  4. Februar 2013, Dr. Lena Foljanty (Frankfurt am Main):
»Zur Auseinandersetzung mit Naturrecht und Rechtspositivismus in der Rechtslehre der frühen Bundesrepublik«
›  10. Juni 2013, Dr. Thomas Henne (Frankfurt am Main):
»Ehe und Homosexualität im bundesdeutschen Rechtssystem der 1950er Jahre: Normen, Werte, Grundgesetz – und ein Film«

Nationalsozialistische Rechtstheorien hoben den Unterschied zwischen Moral bzw. Sittlichkeit und Recht so weit wie möglich auf. »Recht ist nach deutscher Auffassung nicht eine Sache willkürlichen Beliebens, auch nicht der äußeren Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit, sondern eine mit dem sittlichen und religiösen Leben der Gemeinschaft eng verbundene Lebensordnung, die den Einzelnen mit eigenem Geltungsanspruch gegenübertritt und sie innerlich bindet«, so schrieb der nationalsozialistische Rechtstheoretiker Karl Larenz 1934. Und in den »Nationalsozialistischen Leitsätzen für ein neues Strafrecht« von 1938 formulierte Hans Frank nur kurz und bündig: »Deutsches Rechtsgefühl und deutsches Sittlichkeitsempfinden sind eins.« Was bedeutet dieses Ideal der Einschmelzung des Unterschiedes von Sittlichkeit, Moral und Recht für die nationalsozialistische Rechtstheorie und Rechtspraxis? Was besagt sie auf der anderen Seite für eine Analyse nationalsozialistischer Vorstellungen von »Ethik« und »Moral«?
Mit der Niederschlagung des NS durch die Alliierten und der Einrichtung zweier deutscher Staaten waren die Rechtssysteme einer deutlichen Veränderung unterworfen. Dennoch transformierten sich Recht und Moral nur allmählich. Wie weit und in welcher Form bestimmte das Fortwirken nationalsozialistischer Moral noch die Rechtsauffassungen der frühen Bundesrepublik? Wie weit spielte die Vorstellung einer Identität beider noch in der Rechtsphilosophie und Staatsrechtslehre und der Moralphilosophie in Deutschland nach 1945 eine Rolle?
In der Vorlesungsreihe wird das Verhältnis von Recht und Moral im Nationalsozialismus und in der Zeit nach dem Nationalsozialismus alternierend von Rechtstheoretikern und Moralphilosophen dargestellt und analysiert.

Auf der »Suche nach dem verlorenen Recht« galten in den 1950er Jahren materiale Werteaufladungen des Rechts als Weg, um eine neue Rechtsordnung im Einklang von Recht und Moral zu errichten. Die neuen und zugleich alten Werteordnungen einer national-konservativen Professionselite sorgten für Konflikte vor allem im Familienrecht und bei der rechtlichen Behandlung von Homosexualität. Der Vortrag wird die zeitgenössische Rechtspraxis und -dogmatik zu diesen Fragen auch anhand der bis heute geltenden »Homosexuellen-Entscheidung« des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1957 analysieren – und zudem aufzeigen, wie dieses Urteil mit einem Film von Veit Harlan und der damaligen Frankfurter Universität zusammenhängt.

Thomas Henne ist Privatdozent für Zivilrecht und neuere Rechtsgeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Er ist Vorsitzender des Forums Justizgeschichte und Mitglied im Leitungsgremium des Internationalen Max-Planck-Forschungskollegs für vergleichende Rechtsgeschichte an der Goethe-Universität.

Kontakt
info(at)fritz-bauer-institut.de



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