Das Buch stellen vor:
Prof. Dr. Tanja Brühl, Vizepräsidentin der Goethe-Universität
apl. Prof. Dr. Werner Konitzer, Kommissarischer Direktor des Fritz Bauer Instituts
Prof. Dr. Dr. h.c. Johannes Fried, Historisches Seminar der Goethe-Universität
Der Band »Politisierung der Wissenschaft«. Jüdische Wissenschaftler und ihre Gegner an der Universität Frankfurt am Main vor und nach 1933 präsentiert die Ergebnisse einer internationalen Tagung zur interdisziplinären Wissenschafts- und Universitätsgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an der Frankfurter Universität. Veranstaltet wurde die Tagung vom Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften, dem Historischen Seminar und dem Fritz Bauer Institut im Rahmen des Festprogramms anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Johann Wolfgang Goethe-Universität im Jahr 2014.
Der Tagungsband thematisiert die großen gesellschaftlich-wissenschaftlichen Umbrüche der 1930er und 1940er Jahre, dargestellt am konkreten Beispiel der Frankfurter Universität. Im Fokus der zum Teil englischsprachigen Beiträge stehen das institutionelle Miteinander der jüdischen Professoren und ihrer Gegenspieler – wie etwa der deutsch-völkischen Gelehrten – sowie Kommunikationsstrategien des wissenschaftlichen Diskurses im »Zeitalter der Extreme«.
Um 1930 galt die Frankfurter Universität als besonders modern, insofern sie der Erfahrungshorizont war, aus dem heraus bekannte völkische und bedeutende jüdische Wissenschaftler ihre Fragen und Theorien entwickelten: Die Frankfurter Hochschule war der Ausgangspunkt vieler wirklichkeitsgestaltender Ideen (z.B. Karl Mannheims Werterelativismus). Doch wie gestaltete sich die institutionelle Gleichzeitigkeit von zum Teil scharf rechtsgerichteten, völkisch-antisemitischen auf der einen und liberalen, deutsch-jüdischen Gelehrten auf der anderen Seite? Die Untersuchung dieser institutionellen Koexistenz erlaubt innovative Einblicke in Gedankenführungen und das Zustandekommen wegweisender Theorien. Dabei zeigte es sich, dass weitreichende Gemeinsamkeiten zwischen völkischen und jüdischen Gelehrten bestanden: Vor allem die Intention, die als defizitär wahrgenommene Weimarer Politik mittels der Wissenschaft zu reformieren, war beiden Gruppen gemein. Zudem resultierte die wissenschaftliche Innovationskraft gerade aus dem – teilweise vehement verfochtenen – politischen Gestaltungsanspruch.
In welchem Verhältnis standen politische Anschauung und Wissenschaftsverständnis der Universitätsgelehrten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts? Wie sowohl völkische als auch jüdische Wissenschaftler die Politik als Wissenschaft begriffen bzw. die Wissenschaft politisierten – im Hinblick auf diese Fragestellung stellt die Frankfurter Universität ein geradezu einzigartiges Studienobjekt dar: 1914 als städtische Stiftung unter maßgeblicher finanzieller Beteiligung jüdischer Bürger gegründet, betrieb die Hochschule eine liberale, gegenüber verschiedenen politischen Richtungen offene und die religiöse und konfessionelle Überzeugung ausklammernde Berufungspolitik. Um 1930 war der Anteil jüdischer Professoren an der Frankfurter Universität mit über hundert einer der höchsten im Deutschen Reich. Als im Zuge der nationalsozialistischen Rassenpolitik alle jüdischen Hochschullehrer entpflichtet wurden, drohte der Universität die Schließung.
Im Anschluss an die Buchpräsentation bietet sich die Möglichkeit zum Austausch.
»Politisierung der Wissenschaft«. Jüdische Wissenschaftler und ihre Gegner an der Universität Frankfurt am Main vor und nach 1933
Herausgegeben von Moritz Epple, Johannes Fried, Raphael Gross und Janus Gudian
Mit Beiträgen von: Steven E. Aschheim, Mitchell G. Ash, Peter C. Caldwell, David Dyzenhaus, Emmanuel Faye, Janus Gudian, Jeffrey Herf, Martin Jay, David Kettler, Carsten Kretschmann, Heinz D. Kurz, Robert E. Lerner, Alexander von Schwerin, John C. Stillwell, Shulamit Volkov, Michael Zank, Moshe Zimmermann.
Mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf, der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung, der Stiftung Politechnische Gesellschaft Frankfurt am Main, der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung, Köln und der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Schriftenreihe des Frankfurter Universitätsarchivs, hrsg. von Notker Hammerstein und Michael Maaser, Band 5
Göttingen: Wallstein Verlag, 2016, 506 S., 29 Abb., brosch., € 39,90
ISBN: 978-3-8353-1438-2
Kontakt
Janus Gudian M.A.
Historisches Seminar
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Tel.: 069.798-32426
gudian(at)em.uni-frankfurt.de