Events and Exhibitions

Friday, 8. May 2015, 18:00 o'clock

»Szenisches Erinnern der Shoah«
8. Mai 1945 – 8. Mai 2015. Gerettet, aber nicht befreit?

3. Tagung der Reihe

und Samstag, 9. Mai 2015, 9:00–18:30 Uhr
Frankfurt University of Applied Sciences
Nibelungenplatz 1
Frankfurt am Main

Eine Kooperation der Überregionalen Forschungsgruppe am Sigmund-Freud-Institut zu den psychosozialen Spätfolgen der Shoah, der Frankfurt University of Applied Sciences, dem Frankfurter Psychoanalytischen Institut und dem Fritz Bauer Institut.

Am 8. Mai 2015 wird das Ende des NS-Regimes und des Zweiten Weltkrieges 70 Jahre zurückliegen. Dies wird in der Bundesrepublik offiziell und feierlich begangen werden – als Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Doch wer feiert was? War der 8. Mai 1945 für die vielen Deutschen, die Hitler mit seinen völkischen und antisemitischen Ideen begeistert folgten, Befreiung, Kapitulation oder Niederlage? Wie erlebten und erinnern Überlebende der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik den 8. Mai 1945?
Antworten auf diese Fragen sind kompliziert, wie Norbert Wollheim, politischer Aktivist und ehemaliger Häftling des Konzentrationslagers Buna-Monowitz, feststellt. In einem Brief vom 26. August 1945 bittet er seinen Freund, den US-amerikanischen Sergeant Hermann E. Simon, um Unterstützung und schreibt dazu: »Wir sind gerettet, aber wir sind nicht befreit.« Wollheim berichtete von den körperlichen und psychischen Folgen, unter denen die Überlebenden der Shoah auch nach 1945 litten. Die Befreiung durch die Alliierten rettete die Überlebenden zwar vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten. Von den tiefgreifenden seelischen Nachwirkungen ihrer traumatischen Verfolgungserfahrung seien sie jedoch nicht befreit worden. Dies ist inzwischen durch eine umfangreiche Forschung zur transgenerationalen Trauma-Tradierung eindrücklich belegt.
Bei den Täter/-innen und Mitläufer/-innen der NS-Verbrechen hingegen schien die Entnazifizierung beendet, noch bevor der erste alliierte Panzer durch deutsche Städte rollte. Viele Gau-, Kreis- und Ortsgruppenleiter, die bis zuletzt »Verräter« standrechtlich ermorden ließen, entledigten sich ihrer Uniformen und wurden brave Bürger, die dem Nationalsozialismus angeblich schon immer ferngestanden hatten. Zahlreiche Deutsche, die während der NS-Zeit durch Denunziation und unterlassene Hilfe eine alltägliche und oftmals mörderische Macht über andere ausüben konnten, wollten nachträglich von den NS-Verbrechen nichts gewusst haben. Die Verleugnung der Diskriminierungen und Verbrechen der NS-Zeit hielt die in ihr gelebten kollektiven Machtphantasien ebenso lebendig wie die psychosoziale Teilhabe an expansiver und destruktiver Gewalt: Sie wirkt in Form von Gefühlserbschaften bei den Kindern und noch den Enkeln und Enkelinnen der Täter/-innen und Mitläufer/-innen weiter.
Nach »Blickrichtungen, Dissoziation, Reflexion« (November 2007) und »Antisemitismus/Erfahrungen. Spätfolgen der Shoah und Antisemitismus heute« (September 2012) ist dies die dritte Tagung der Reihe »Szenisches Erinnern der Shoah«.
70 Jahre nach 1945 wird sich die Tagung mit unterschiedlichen Erlebnisweisen und Verarbeitungsmustern des Endes der NS-Herrschaft bei Täter/-innen und Mitläufer/-innen einerseits und bei Überlebenden andererseits beschäftigen. Sie tut dies aus literarischer, historischer, psychoanalytischer, soziologischer, sozialpsychologischer sowie erziehungs- und kulturwissenschaftlicher Perspektive. Dabei schließt sie konzeptuell an die beiden vorangegangenen Tagungen an. Darüber hinaus wird der Fokus in internationaler Hinsicht erweitert: Neben den Erfahrungen von in Deutschland lebenden jüdischen und nichtjüdischen Menschen werden auch die Perspektiven von Juden und Jüdinnen mit einbezogen, die während der Shoah ins Ausland emigriert sind.

Referentinnen und Referenten
›  Georges-Arthur Goldschmidt (Paris), Schriftsteller
›  Micha Brumlik, Professor emeritus für Erziehungswissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Senior Advisor am Zentrum Jüdische Studien Berlin/Brandenburg
›  Emily A. Kuriloff (New York), Psychoanalytiker: »Die zeitgenössische Psychoanalyse und das Vermächtnis des Dritten Reichs« (Vortrag in englischer Sprache)
›  Robert Prince (New York), Psychoanalytiker: »Das Vermächtnis des Holocaust: Psychohistorische Themen in der Zweiten Generation« (Vortrag in englischer Sprache)
›  Jan Lohl und Sebastian Winter: »›Kaum ist das deutsche Blut kalt …‹ Zur psychosozialen Dynamik des Übergangs vom Nationalsozialismus in die Bundesrepublik bei Jugendlichen«, Projektvorstellung einer Gruppendiskussion mit Jugendlichen
›  Ilka Quindeau, Katrin Einert und Nadine Teuber: »Kindheiten im Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg, Material aus narrativen Interviews mit Angehörigen der Geburtenjahrgänge 1930 bis 1945«
›  Kurt Grünberg und Friedrich Markert: »Nie wieder Opfer sein. Über das Forschungsprojekt ›Szenisches Erinnern der Shoah: Zur transgenerationalen Tradierung extremen Traumas in Deutschland‹«.
Abschlussgespräch mit Moderation durch Nele Reuleaux und Angela Moré.

Tagungsprogramm
... <link fileadmin downloads _blank download herunterladen der datei>Tagungsflyer (pdf-Datei, 3.438 kb)

Kontakt
Sigmund-Freud-Institut
Überregionale Forschungsgruppe zu den
psychosozialen Spätfolgen der Shoah
Beethovenplatz 1–3
60325 Frankfurt am Main
Tel.: 069.971204-0
Fax: 069.971204-4
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