The Institute

Sunday, 15. February 2015

Wir trauern um Jiří Kosta sel. A.

Prag, 2. Oktober 1921 – Bad Homburg, 15. Februar 2015

Am 15. Februar 2015 ist Jiří Kosta im Alter von 94 Jahren an seinem letzten Wohnsitz in Bad Homburg gestorben. Kosta war Mitglied im Rat der Überlebenden, der die Arbeit des Fritz Bauer Instituts unterstützt und begleitet.

Geboren wurde Jiří Kosta als Heinrich Georg Kohn am 2. Oktober 1921 in Prag. Er kam aus einem säkularen jüdischen Elternhaus. Sein Vater war Gymnasiallehrer, Schriftsteller und Übersetzer, seine Mutter Angestellte. In der Familie wurde deutsch und tschechisch gesprochen. Die Eltern verstanden sich als »Tschechoslowakische Bürger deutscher Nationalität«. In den späten 1930er Jahren benutzte man als Umgangssprache vorwiegend tschechisch, weil man sich von der sich immer stärker nazifizierenden und zunehmend antisemitischen sudetendeutschen Gesellschaft abgrenzen wollte. Sein Abitur machte Kosta 1939 in Prag auf einem tschechischen Gymnasium. Sein Vater wurde nach dem »Anschluss des Sudentenlandes« zwangspensioniert, er konnte auf Umwegen nach England emigrieren.
Der zwanzigjährige Jiří Kosta, sein Bruder und seine Mutter dagegen wurden in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt. Kosta musste ab 1941 im Kohlenrevier Kladno Zwangsarbeit leisten. Im Oktober 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert, wo er bis Januar 1945 im Außenkommando Gleiwitz arbeiten musste. Er überstand den Todesmarsch, floh und erlebte die Befreiung im Mai 1945. Seine Familie hatte den Holocaust und die Emigration ebenfalls überlebt.
In die Tschechoslowakei zurückgekehrt war Kosta zunächst ein Befürworter des Sozialismus. Er wurde Sachbearbeiter im Außenhandelsministerium, bis 1949 sein Vater und ein Jahr später er selbst entlassen wurde. Fortan verdiente er sein Geld als Bauarbeiter, später als Fabrikarbeiter und Dreher in einem Flugzeugwerk. Seine Mutter kam 1950 wegen Sabotage und staatsfeindlichem Vergehen für sieben Jahre ins Gefängnis. Sie wurde jedoch 1954 im Zuge einer Amnestie wieder entlassen.
1956 wurde Jiří Kosta teilrehabilitiert, er konnte danach als Lehrer in einer Fachoberschule arbeiten. 1962 wurde er Institutssekretär am Ökonomischen Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften bei dem Wirtschaftsreformer Ota Šik. In dieser Position konnte er mit eigenen Forschungen beginnen. 1966 wurde Jiří Kosta promoviert.
Nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei begann er sich neu zu orientieren. Kosta ging 1968 in den Westen und erhielt zu nächst am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung in Wien eine Stelle, 1970 am Institut für Sozialforschung in München. Von 1970 bis 1987 war er Professor im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. 1977 wurde er aus der Tschechoslowakei ausgebürgert.
In Deutschland bezog er früh kritisch Stellung gegenüber der tschechoslowakischen Regierung. Er setzte sich für die geschichtliche Aufarbeitung des Nationalsozialismus und des Holocaust ein und gehörte seit Ende der 1990er Jahre dem Rat der Überlebenden des Fritz Bauer Instituts an. Dort wurde er mit Trude Simonsohn bekannt, die ebenfalls in Theresienstadt inhaftiert gewesen war.

Jiří Kosta hat über 400 wissenschaftliche Titel publiziert. Darunter den zusammen mit Jaroslava Milotová und Zlatica Zudová-Lešková herausgegebenen Sammelband Tschechische und slowakische Juden im Widerstand 1938–1945, der als Band 22 der Schriftenreihe des Fritz Bauer Instituts 2008 im Metropol Verlag erschienen ist. Schon 2001 wurden seine Erinnerungen unter dem Titel Nie aufgegeben. Ein Leben zwischen Bangen und Hoffen im Philo-Verlag veröffentlicht – ein authentisches Zeitzeugnis ersten Ranges sowie eine unschätzbare historische Quelle.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fritz Bauer Instituts trauern um Jiří Kosta. Wir werden ihn in ehrender Erinnerung behalten.

Foto: Jiří Kosta, Quelle: www.jiri-kosta.de

Jirí Kosta

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