Ziel ist es, die für den Nationalsozialismus spezifischen Rechtfertigungsstrukturen und ihre Verankerung in Gefühlen und Handlungsdispositionen („NS-Moral“) zu erforschen und nach dem Fortwirken solcher Rechtfertigungsstrukturen und Gefühle bis in die Gegenwart hinein zu fragen. Diese Untersuchung verlangt eine enge Verzahnung von philosophischer Reflexion mit historischer Forschung, die sich auf alle Lebensbereiche im NS bezieht. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die meisten grundlegenden Begriffe von NS-Ideologie aus dem Bereich der Ethik stammen, wenn sie auch auf spezifische Weise „modifiziert“ sind (Beispielsweise wird der Begriff der Ehre in einen rassistischen Begriff umgeformt). Ihre Verbindung miteinander bildet eine Art Syndrom, das man als NS-Ethik oder NS-Moral bezeichnen kann. Begriffe wie „deutsche Ehre“, „Gemeinschaft“, „Opferbereitschaft“ und „Treue“ fungieren als „praktische“ Begriffe, das heißt, sie geben Gründe und Begründungen für Handlungen und müssen in dieser Einbettung in Handlungskontexte verstanden werden. In einer Studie werden verschiedene Äußerungsformen dieser nationalsozialistischen Ethik analysiert: Praktiken moralischer Homogenisierung (wie etwa Rituale des Totengedenkens, aber auch Formen geteilter Empörung wie bei den Rassenschandepogromen), Schulungstexte der HJ zur Ethik. Einbezogen werden auch Ethiken von Philosophen, die sich früh und eindeutig zum NS bekannt haben (Hermann Schwarz, Bruno Bauch, Hans Freyer). Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem Verhältnis der Struktur der „Binnenmoral“ der Volksgemeinschaft, die durch Begriffe wie „Dienen“, „Gehorsam“, „Führung“ und „Gefolgschaft“ charakterisiert ist, zu den Kategorien von Ausschluss Verfolgung und Vernichtung.
Projektleitung:
apl. Prof. Dr. Werner Konitzer