The Institute

Wednesday, 12. May 2010

Geschichte der Antisemitismusforschung

Publikationsprojekt

Das Projekt wird wenig bekannte oder vergessene deutschsprachige Texte zwischen dem späten 18. und frühen 20. Jahrhundert, die sich mit dem Phänomen der Feindschaft gegenüber den Juden theoretisch auseinandersetzen, wieder zugänglich machen und eine Geschichte der Antisemitismustheorie präsentieren, wie sie sich entlang dieser Texte rekonstruieren lässt. Dazu sollen zwei kommentierte Bände herausgegeben werden.

Die Edition will die Erkenntnisarbeit, die in den zumeist von jüdischen Autoren verfassten Texten steckt, aufzeigen, sie analysieren und zugleich die Anstrengung deutlich machen, die darin liegt, dass diese Erkenntnisarbeit in den nichtjüdischen Zeitgenossen oft kein intellektuelles Gegenüber fand. Im Mittelpunkt steht das Verhältnis von Leidenschaft, Moral und Wissen. Welche Rolle spielt die Kategorie der Leidenschaft in frühen Antisemitismustheorien? Wie verändern sich die Konzepte des Hasses, die in den Erklärungsansätzen der Texte zwischen 1794 und 1931 entwickelt werden? Welche philosophischen, epistemologischen und moralischen Bedeutungen verbinden sich um 1800 mit dem Vorurteilsbegriff, und wie verändern sich diese im Lauf des 19. Jahrhunderts? Wie nehmen die Texte überhaupt auf Moral und Gefühle Bezug? Lassen sich in ihnen Moralstrukturen unterhalb einer politischen Moral ausmachen? Jeder der in den Quellenbänden abgedruckten Texte wird von einem kommentierenden Artikel begleitet, der den Anlässen des Nachdenkens und dem historischen Ereigniskontext nachgeht, die Umstände der Veröffentlichung sowie biografische Zusammenhänge schildert und auch die Besonderheit der jeweiligen historischen Erfahrung beleuchtet – etwa die Schockerfahrung der „Damaskus-Affäre“, die als Einbruch des Mittelalters in die Moderne gedeutet wird.

Die in den Bänden dokumentierte intellektuelle Geschichte kann darüber Aufschluss geben, wie bestimmte heutige wissenschaftliche Sichtweisen auf das Phänomen des Antisemitismus eingeübt wurden, und sie kann uns gerade dadurch zu einer Historisierung unseres Blicks verhelfen. Zugleich holt sie verloren gegangene Ideen und Perspektiven ins Bewusstsein zurück. Die Texte, die hier gesammelt werden, halten nicht bloß historisches Wissen und historische Denkweisen bereit. Vielmehr konfrontieren uns ihre Sprache und ihre Erklärungsversuche auch mit Einsichten, Argumentationen und Akzentsetzungen, die uns unmittelbar beeindrucken, gängige Sichtweisen infrage stellen und neue Erkenntnismöglichkeiten eröffnen.

Projektleitung:
apl. Prof. Dr. Werner Konitzer


Back to all news