The Institute

Monday, 27. April 2015

Fritz Bauer
Gesammelte Aufsätze

Forschungs- und Editionsprojekt

Fritz Bauer ist als der Staatsanwalt in die Geschichte der Bundesrepublik eingegangen, der den Auschwitz-Prozess initiiert und in einer Vielzahl weiterer Fälle die Verfolgung von NS-Verbrechen in die Wege geleitet hat. Daneben hat Bauer zahlreiche Schriften hinterlassen, darunter mehrere Bücher, Aufsätze und Zeitungsartikel sowie Interviews. Er reflektierte in ihnen die geistige und politische Lage der Bundesrepublik in der Nachkriegszeit sowie seine Wirkungsmöglichkeiten als Staatsanwalt bei der Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen und formulierte ein kriminalpolitisches Programm, in welchem er Ziel und Zweck des Strafrechts grundlegend in Frage stellte. Bauer hat in diesen Schriften oft für seine Zeit ungewöhnliche Positionen bezogen, zugleich zeigen sie, wie verwoben sein Denken mit dem seiner Zeit war. Sie gewähren damit einen Einblick in Diskussionen der frühen Bundesrepublik und zeigen, wie sich Bauer als Jurist, Remigrant, jüdischer Intellektueller und Sozialdemokrat einmischte und Gehör verschaffte.

Gesamtausgabe der Aufsätze und Vorträge
Abgesehen von den Büchern, die Bauer verfasste, handelt es sich bei seinen Veröffentlichungen um kleinere Schriften. Ein Großteil von ihnen ist in Tageszeitungen oder heute unbekannten Zeitschriften erschienen. Während man auf die Bücher auch heute noch über Bibliotheken unproblematisch zugreifen kann, sind diese kleinen Schriften Bauers für die Forschung und das interessierte Publikum nicht ohne Aufwand auffindbar.
Eine Auswahl seiner Schriften wurde 1998 von Irmtrud Wojak und Joachim Perels in dem Band Die Humanität der Rechtsordnung herausgegeben. In diesem mittlerweile vergriffenen Buch sind die wichtigsten Schriften Bauers zur Aufarbeitung des NS-Unrechts, zum Widerstandsrecht, zur Strafrechtsreform und zu seinen rechtsphilosophischen Grundannahmen versammelt. Es ist thematisch gegliedert, der zeitliche Schwerpunkt liegt in den 1960er Jahren. Viele interessante Aspekte von Bauers Werk konnten in die Auswahl nicht eingehen, insbesondere fehlen die Schriften, die Bauer im Exil und in der Zeit unmittelbar nach der Remigration verfasste.
Gerade diese Schriften sind jedoch interessant. Bereits in der Weimarer Republik hat Bauer in Aufsätzen zu philosophischen und tagesaktuellen Themen Stellung bezogen. In der Emigration schrieb Bauer bis 1938 für die Allgemeine Zeitung des Judentums, das Organ des Zentralvereins der Juden in Deutschland. Zudem bewegte er sich in exilpolitischen Kreisen, brachte sich aktiv in die Diskussionen um eine Zusammenarbeit zwischen SPD und KPD ein, schrieb in der Exilantenzeitschrift Deutsche Nachrichten und war Chefredakteur der Exilzeitung Sozialistische Tribüne. Zurück in Deutschland konzentrierte er sich in seinen ersten Veröffentlichungen zunächst auf strafrechtspolitische Fragen. Diese Schriften ermöglichen den Blick auf die Brüche in Bauers Biographie, auf Exil und Remigration als Schlüsselerfahrungen. Die Tagung »Fritz Bauer in der deutsch-jüdischen Nachkriegsgeschichte«, die im Oktober 2012 vom Fritz Bauer Institut veranstaltet wurde, hat gezeigt, wie wenig davon hier bislang bekannt ist.
Die Aufgabe einer erneuten Herausgabe der Schriften Bauers soll es sein, gerade diese bislang wenig bekannten Schriften zugänglich zu machen und damit die Vielfalt von Bauers Denken und Wirken umfassend und ungefiltert sichtbar zu machen. Ziel ist, eine möglichst vollständige Sammlung der Schriften Bauers der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Bücher sollen im Rahmen dieses Publikationsprojekts unberücksichtigt bleiben, da ihre Verfügbarkeit über Bibliotheken gewährleistet ist. Die Kommentierung soll aus rechts- und zeitgeschichtlicher Perspektive geschehen. Sie soll den Zugang zu den Texten Bauers aus unterschiedlichen Disziplinen und Zusammenhängen ermöglichen. Bauer kann als SPD-Mitglied, als Rechtsreformer, als Sozialpolitiker, als Angehöriger der Justiz, als Rechtshistoriker, als Jude und Remigrant in verschiedene historische Kontexte gesetzt werden. Die Kommentierung soll keinen dieser Zugänge ausschließen und dennoch schlank gehalten werden.
Das Projekt wird gefördert durch die Gerda Henkel Stiftung.

Projektteam
  Dr. Lena Foljanty, Rechtshistorikerin am Max Planck Institut für Europäische Rechtsgeschicht
›  Dr. David Johst, Zeithistoriker an der Universität Halle


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