Der zeitliche Abstand zum Nationalsozialismus ist inzwischen so groß, dass kaum mehr ein Jugendlicher, eine Jugendliche jemanden persönlich kennenlernt, der oder die die Zeit des Nationalsozialismus erlebt hat. Und die Veränderung der europäischen Gesellschaften zu Migrationsgesellschaften hat den Blick auf die Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts modifiziert. Zugleich hat sich der Stellenwert von Gedenkstätten in Deutschland und Österreich gewandelt, ein breiter gesellschaftlicher Konsens trägt sie inzwischen, auch wenn diese Errungenschaft sicher auch in Zukunft immer wieder neu eingefordert werden muss. Vielerorts werden Gedenkstätten institutionalisiert, was spezifische Auswirkungen auch auf die Arbeitsbedingungen von Mitarbeitenden hat. Wenn auch die Erwartungen an gedenkstättenpädagogische Arbeit immer von einem erzieherischen Anspruch geprägt waren, hat sich diese Entwicklung seit 1989 verstärkt, und in der Regel werden Demokratieförderung und Menschenrechtsbildung – häufig unhinterfragt – als Ziele von Gedenkstätten und ihrer pädagogischen Arbeit beschrieben. All diese Entwicklungen befördern den Eindruck, dass eine (Neu-)Verständigung über realistische Ziele und zeitgemäße Methoden überfällig ist.
Diesem Prozess widmete sich das Bundesmodellprojekt »Gedenkstättenpädagogik und Gegenwartsbezug – Selbstverständigung und Konzeptentwicklung«. In einem mehrjährigen Arbeitsprozess haben Pädagog(inn)en aus zwölf KZ- und Euthanasie-Gedenkstätten sowie Jugendbildungsstätten mit gedenkstättenpädagogischem Schwerpunkt aus Deutschland, Österreich, Polen u.a. ein »Berufsbild Gedenkstättenpädagogik« entwickelt. Es steht im Mittelpunkt dieses Buches. Seine Schwerpunktsetzungen werden in theoretischen Beiträgen von Wissenschaftler(innen) und Praktiker(innen) ausgeführt.
Der Praxisteil dient der Selbstreflexion. Dafür sind aus den in diesem Projekt neu für die Weiterbildung von Mitarbeiter(innen) an Gedenkstätten (und verwandten Einrichtungen) entwickelten Übungen diejenigen ausgewählt worden, die alleine oder im Team angewandt werden können. Im Zentrum stehen Fragen des eigenen Selbstverständnisses, des Umgangs mit Teilnehmenden und Gruppen sowie die Reflexion von Vermittlungsmedien.
Mit Beiträgen von:
Monique Eckmann, Christian Geißler, Uta George, Verena Haug, Wolf Kaiser, Gottfried Kößler, Imke Scheurich, Barbara Thimm, Susanne Ulrich, Helmut Wetzel, Oliver von Wrochem
Schriftenreihe des Fritz Bauer Instituts, Band 21
Brandes & Apsel Verlag, 2010
208 Seiten
ISBN 978-3-86099-630-0
Preis: 19.9 Euro